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Vergangenheit

1920er – 2000

Vorgeschichte
Wendejahre / Einigungsvertrag
Abwicklung & Entfristung
Neue Koalition – neue Prioritäten

Vorgeschichte

Verstärkt durch die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung im Deutschen Reich im Jahr 1883 hatte sich zum Ende des 19. Jahrhunderts die medizinische Versorgung der breiten Bevölkerungsschichten, die bis dahin zumeist unter- oder gar nicht ärztlich versorgt waren, über das Krankenkassenwesen schrittweise verbessert. Mittelpunkt war der Haus- und Familienarzt, der direkt vom Patienten bezahlt wurde, da seitens der Krankenkassen anfänglich nur finanzielle Unterstützung gewährt wurde. Zusätzlich dazu gab es im Rahmen der Spezialisierung der Fachärzte gegründete Polikliniken, die in der Regel auf bestimmte medizinische Fachgebiete spezialisiert waren. Diese Polikliniken waren öffentlich zugänglich und wurden oft in Verbindung mit Studien- oder Lehrzwecken betrieben. In diesen Einrichtungen erhielten bedürftige Patienten mit speziellen Krankheiten kostenlose medizinische Behandlung.

Die Begriffe Poliklinik, Ambulanz und Ambulatorium wurden bis in das 20. Jahrhundert hinein synonym verwandt. Dies änderte sich erst in den 1920er Jahren, als zwischen Krankenkassen und Ärzteschaft in Berlin ein umfassender Streit um die Arzthonorare und die Frage, ob den Kassen ein Kontrollrecht bezüglich der Behandlungen zukomme, eskalierte. Woraufhin die Ärzteschaft die inzwischen als Fortschritt eingeführte Behandlung auf Krankenschein einstellte und stattdessen wieder die Barzahlung verlangte. Die Krankenkassen reagierten mit der Errichtung von eigenen Behandlungsstätten, in denen bei ihnen angestellte Ärzte tätig waren.

Bis März 1924 wurden vornehmlich in der damaligen Reichshauptstadt Berlin (vgl. Schmidt (1997) Geschichte der deutschen Ärzteschaft, S. 8ff..) insgesamt 32 dieser Ambulatorien genannten Arzthäuser für die Versicherten und ihre Familien eröffnet. Da diese Einrichtungen überaus rege in Anspruch genommen wurden, blieben sie auch nach Ende des Ärztestreiks erhalten und wurden sogar weiter ausgebaut.

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Weimarer Republik

In den Ambulatorien der Weimarer Republik wurde die Aufrechterhaltung der für den Versicherten kostenfreien Behandlung mit der bereits zu Zeiten des I. Weltkrieges geborenen und sozialreformerisch begründeten Idee der poliklinischen Versorgung verknüpft. Ziel war die Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterfamilien. Die Initiative ging vor allem von damaligen SPD-Mitgliedern aus, die auch die Mehrheit der zuständigen Krankenkassenvorstände stellten.

Als jedoch der sogenannte Berliner Ambulatorienstreit 1928 nach langer juristischer Auseinandersetzung mit der den inzwischen etablierten Standesvertretungen der Ärzteschaft seinen Abschluss fand, wurde der Betrieb der Kassenambulatorien durch gerichtliche Entscheidungen zunehmend eingeschränkt. Letztlich wurde er im Kontext der nationalsozialistischen Machtergreifung ab 1934 vollständig eingestellt.

Die Spuren dieser Episode haben in beiden Teilen Deutschlands lange nachgewirkt. In der Bundesrepublik eher negativ, wo es nicht gelang, die als sozialistisch interpretierte Alternativen bei den selbständig tätigen Ärzten durchzusetzen. Diese Haltung wurde zementiert, da jenseits der ideologischen Grenze, in der DDR, ein flächendeckendes poliklinisches Versorgungssystem aufgebaut wurde.

Ein entsprechender Befehl erging seitens der sowjetischen Militäradministratur bereits 1947. Trotzdem waren in den ersten zwei Jahrzehnten der DDR die frei praktizierenden Haus- und Fachärzte in der Mehrheit. Das Poliklinikwesen, wie es später in der DDR bestand, wurde im Wesentlichen erst in den 70er Jahren durch die massive Neueinrichtung von Polikliniken und Ambulatorien geformt.

Gewusst?

Die medizinischen Einrichtungen wurden in der DDR konsequent nach ihrer Größe unterschieden. Die kleineren Häuser wurden Ambulatorien genannt, wohingegen unter Polikliniken Zentren mit mindestens sieben fachärztlichen und einer diagnostischen Abteilung verstanden wurden. Große Polikliniken waren oft direkt an Krankenhäuser angebunden, wobei überwiegend in größeren Städten und größeren Betrieben auch selbständige Polikliniken zu finden waren. Diese waren wiederum in aller Regel nicht an einem Ort konzentriert, sondern fassten mehrere dezentral gelegene Arztstellen als organisatorische Einheit ‚Poliklinik‘ zusammen.

Wendejahre & Einigungsvertrag

1989 wurden in der DDR 22.107 angestellte Allgemein- und Fachärzte gezählt. Sie verteilten sich auf 626 Polikliniken, 1.020 Ambulatorien sowie auf über 3.000 weitere, mit ein oder zwei Ärzten besetzte Standorte, die als staatliche Arztpraxis oder Arztsanitätsstelle klassifiziert waren. Zudem gab es 341 privat niedergelassene Ärzte.

In Westdeutschland erfolgte die ambulante Versorgung zur selben Zeit durch knapp 69.900 privat niedergelassene Mediziner, von denen etwa 80 Prozent in Einzelniederlassung und der Rest zu zweit oder zu dritt in Gemeinschaftspraxen tätig waren. Dieses System galt spätestens seit der Gesundheitsgesetzesanpassung von 1988 als reformbedürftig. So hatte die 1987 eingesetzte Bundestagskommission zur Strukturreform der Krankenversicherung unter anderem vorgeschlagen, „mit fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen und Gesundheitszentren Organisationsformen zu bevorzugen, die die Nachteile der Einzelpraxis überwinden.“

Als aber im ersten Halbjahr 1990 die schrittweise Annäherung der beiden deutschen Staaten sehr rasch in eine schnelle Vereinigung überging, galt die eben noch in breiter Front als reformbedürftig herausgestellte Krankenversicherung plötzlich als grundsätzlich bewährt. Dabei hatte es auch auf westdeutscher Seite bei der SPD, sowie bei verschiedenen Krankenkassenverbänden durchaus Bereitschaft gegeben, Teile des Poliklinikwesens zu übernehmen. Zudem war die letzte DDR-Regierung parteiübergreifend bestrebt, als positiv empfundene soziale Errungenschaften in das gemeinsame Deutschland einzubringen.

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Reformbemühungen der BRD

1987 beschloss der Bundestag die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“. Diese legte im Februar 1990 Vorschläge für eine Organisationsstrukturreform vor. Für die ambulante ärztliche Versorgung wurden Probleme insbesondere in einer zunehmenden Zahl sich niederlassender Ärzte gesehen. Gleichzeitig wurde bedauert, „daß es für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung auch hinsichtlich der ambulanten ärztlichen Versorgung zu wenig Möglichkeiten für Experimente und Modellversuche gibt.“ Zudem wurden die Meinung geäußert, dass Organisationsformen bevorzugt werden sollten, die die Nachteile der Einzelpraxis überwinden (fachübergreifende Gemeinschaftspraxen, Gesundheitszentren etc.).

Insgesamt wurden jedoch sämtliche Bemühungen um eine Synthese beider Gesundheitssysteme durch die rasante Eigendynamik des Einigungsprozesses untergraben. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 sah daher die Übernahme des bundesdeutschen Systems zum schnellstmöglichen Termin vor.

Angesichts der realen Versorgungslage in den neuen Ländern mussten allerdings Polikliniken und Ambulatorien für eine Übergangszeit zugelassen werden. In § 311 des SGB V in der Fassung des Einigungsvertrages wurde daher eine Regelung aufgenommen, die allen ambulanten Versorgungseinrichtungen auf dem Gebiet der DDR zunächst Bestandsschutz gewährte. Da gleichzeitig jedoch die ‚Niederlassung in freier Praxis‘ als Förderziel festgeschrieben wurde, war geplant, in den folgenden Jahren alle DDR-Ärzte zur privaten Niederlassung zu bewegen.

„Wir haben … ein berechtigtes Eigeninteresse zu wahren und zusätzlich den Strukturierungsauftrag für den Osten. Er hat unser System gewählt, also muss er sich anpassen und uns nicht neosozialistische Sandkastenspiele aufdrängen (…) Polikliniken gehören nicht in unser System, sie gefährden es vielmehr.“
– Dr. Roderich Nehls

1991 Vorstand der KV Berlin

In der Folge überstieg die Zahl der auf dem Gebiet der DDR niedergelassenen Ärzte schon ein halbes Jahr später – im April 1991 – die Menge der noch in Polikliniken und Ambulatorien verbliebenen Mediziner. Zum Jahreswechsel 1991/92 lag die Niederlassungsquote bereits bei 80 Prozent. Die Ankündigung der Bundesregierung, dass spätestens 1995 mit den Polikliniken unwiderruflich Schluss sei, trug zu dieser Entwicklung ihr Übriges bei.

„Polikliniken sind Auslaufmodelle … Sie werden spätestens 1995 nicht mehr vorhanden sein. Leitbild auch in den neuen Bundesländern ist der frei praktizierende, niedergelassene Arzt. Die hohe Qualität unseres Gesundheitswesens resultiert wesentlich aus seiner freiheitlichen und pluralistischen Organisation. Das müssen wir bewahren.“
– Horst Seehofer

1992 Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium

Wortlaut § 311 SGB V i.d.F.
des Einigungsvertrages

Absatz 2
Zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung werden … die … bestehenden ärztlich geleiteten kommunalen, staatlichen und freigemeinnützigen Gesundheitsein- richtungen einschließlich der Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens (Polikliniken, Ambulatorien u.a.) kraft Gesetz bis zum 31. Dezember 1995 zugelassen.
Absatz 10
Die Niederlassung in freier Praxis ist mit dem Ziel zu fördern, daß der freiberuflich tätige Arzt maßgeblicher Träger der ambulanten Versorgung wird. Der Anteil der in Absatz 2 genannten Einrichtungen ist entsprechend zu verringern.

Abwicklung & Entfristung

Die anhaltende Rechtsunsicherheit, finanzielle Schwierigkeiten sowie eine daraus erwachsende Entsolidarisierung der Mitarbeiter führten in der Folgezeit zu immer weiteren Niederlassungen. Ende 1992 hatten sich bereits 94 Prozent aller früheren DDR-Ärzte für die Selbständigkeit entschieden und sich niedergelassen. In Berlin und Brandenburg fiel diese Quote am niedrigsten aus. Ursache war eine gegensteuernde Politik, die ‚den Polikliniken eine faire Chance geben‘ (Berlin).

Diese Haltung wurde über die 90er Jahre beibehalten und war vor allem mit der Person der von 1990 bis 1999 amtierenden Gesundheits- und Sozialministerin Dr. Regine Hildebrandt, verknüpft. Die SPD-Ministerin setzte sich intensiv – die Ärztezeitung nannte es ‘verbissen und unbelehrbar’ – dafür ein, ‘die DDR-Polikliniken nicht nur deshalb preiszugeben (…), weil sie im System der BRD nicht vorkamen.’ Primäres Ziel war, den bereits stattfindenden, ‘unsystematisch, überstürzt und widersprüchlich ablaufenden Prozess durch einen geordneten Wandel von Polikliniken in Gesundheitszentren’ zu ersetzen. Dafür wurde das Brandenburger Modell entwickelt.

Die aktive Unterstützung der Polikliniken beim Umstrukturierungsprozess setzte jedoch erst ab Februar 1991 mit der Gründung des Beratungsdienstes Gesundheitszentren Brandenburg ein. Zu einem Zeitpunkt also, als im Land bereits etwa 40 Prozent aller ambulant tätigen Mediziner in die Niederlassung gewechselt waren. Das mit der Konzeptentwicklung beauftrage Institut ging entsprechend von einem „Nebeneinander von niedergelassenen und angestellten Ärzten“ aus, dass sich auch „in vielen der ehemaligen Haupthäusern der Polikliniken beobachten“ ließ, wo „sich oft schon einige der Ärzte in ihren alten Behandlungsräumen niedergelassen [haben] oder beabsichtigen (…), diesen Schritt bald zu tun.“

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Brandenburger Sonderweg

Bereits in ihrer ersten Regierungserklärung vom 6. Dezember 1990 hatte sich die brandenburgische Regierung unter Manfred Stolpe explizit Maßnahmen zum Erhalt der Polikliniken angekündigt:
„Gesundheitsvorsorge hat für uns Vorrang. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die Landesregierung eng mit den Krankenkassen und der Ärzteschaft zusammen.
Niedergelassene Ärzte machen unsere medizinische Versorgung bürgernäher und leistungsfähiger.
Polikliniken und Einrichtungen des Betriebsgesundheitswesens sind aber für die medizinische Grundversorgung in Brandenburg unverzichtbar. Sie sind finanzierbar und brauchen eine faire Chance im Wettbewerb mit niedergelassenen Ärzten. Wir werden sie bei der organisatorischen und finanziellen Umstrukturierung eingehend beraten und unterstützen. Dafür steht im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen ein qualifiziertes Beraterteam zur Verfügung.“

Paradoxerweise war es gerade dieser flexible Umgang mit allen Arten von Beschäftigungsmischformen, der das Brandenburger Modell später zum Vorbild der MVZ-Idee werden ließ. Zunächst war es aber ein schwerer Nachteil für die brandenburgische Gesundheitsversorgung, dass die Hilfen des Ministeriums zu spät bereitgestellt wurden, um noch spürbar in den Auflösungsprozess der Polikliniken und Ambulatorien eingreifen zu können. So konnten letztlich nur neunzehn Gesundheitszentren mit 34 Standorten gerettet werden.

Gleichzeitig setzte sich Regine Hildebrandt auch auf Bundesebene vehement dafür ein, die Betriebserlaubnis der Polikliniken trotz des Ablaufdatums im Einigungsvertrag über den 31.12.1995 hinaus zu erhalten. Die Ministerin erreichte so, dass die Bundes-SPD im Herbst 1992 die Forderung nach der dauerhaften Zulassung der Polikliniken zu einem wichtigen Eckpunkt während der Konsensverhandlungen über die erste gesamtdeutsche Gesundheitsreform machte. In der Konsequenz fand die sogenannte ‘Entfristung’ der poliklinischen Gesundheitseinrichtungen tatsächlich Eingang in das zum 1.1.1993 in Kraft getretene Gesundheitsstrukturgesetz (GSG). Dies gelang wahrscheinlich auch deshalb, weil ohnehin nur noch sehr wenige Polikliniken bestanden.

„Jetzt zu sagen, die Polikliniken sollen auch nach 1995 erhalten bleiben, halte ich für zynisch und demagogisch. (…) Es haben sich ja viele um ihren Erhalt bemüht, die an der festgeschriebenen Schließung nach 1995 gescheitert sind. Wir fühlen uns in den April geschickt, (…) Wenn diese Wende in der Bonner Politik absehbar gewesen wäre, hätten wir andere Wege eingeschlagen.“
– Dr. Jürgen Zimmermann
1992 Stadtrat für Gesundheit der Stadt Leipzig

Zum Zeitpunkt dieser Gesetzesänderung existierten insgesamt noch 343 Einrichtungen mit 1.574 Ärzten. Das entsprach – gegenüber dem Jahreswechsel 1989/90 – 20 Prozent aller Einrichtungen, aber nur noch knapp 7 Prozent der Ärzteschaft. Ein Großteil der Polikliniken arbeitete entsprechend nur noch mit einer Rumpfbesetzung. Folgerichtig verließen auch noch 1994/95 weitere Ärzte ihre Einrichtung. Erst das Verhältnis von 98,3 niedergelassenen zu 1,7 Prozent angestellten Ärzten kann daher als Endpunkt der Auflösung poliklinischer Strukturen gelten. Dem entsprach 1998 die Zahl von 336 angestellten Arbeitsverhältnissen nach § 311 SGB V, die ganz überwiegend auf die Bundesländer Berlin und Brandenburg konzentriert waren. Einzelne größere Einrichtungen waren daneben in Halle (Sachsen-Anhalt) und in Weimar (Thüringen) erhalten worden.


Die MEG - Details des Brandenburger Modells

Beim Brandenburger Modell wurde zum Erhalt der ambulanten Versorgungstrukturen als wichtigste Voraussetzung die Herauslösung der Polikliniken aus den kommunalen Haushalten erklärt. Die ärztlichen Anstellungsverhältnisse wurden auf eine eigens gegründete Medizinische Einrichtungs GmbH (MEG) übertragen, die – ganz nach Situation und Bedarf – auch weiteres Dienstleistungspersonal z.B. im Heil- und Hilfsmittelbereich beschäftigen konnte. Alle Fragen der Gebäudewirtschaft wurden davon getrennt durch eine eigenständige Gesundheitszentrumsgesellschaft (GZG) betreut. Die von der Gemeinde (Bsp. Wildau, Lübbenau) oder freigemeinnützigen Verbänden (Beispiel Teltow) getragene MEG wäre bei dieser Konstruktion ein Mieter der GZG unter mehreren.
Durch die Abtrennung der Grundstücks- und Immobilienverwaltung vom eigentlichen Kerngeschäft der Polikliniken wurde ein Miteinander angestellter und freier Ärzte am selben Ort sowie die Integration weiterer Zusatzangebote wie Optiker, Geschäftsstellen von Krankenkassen, Physiotherapeuten, Sozial- und Pflegedienste usw. ermöglicht.
Neben diesen formalen Umstrukturierungen wurde von vornherein die zwingende Wirtschaftlichkeit jeder einzelnen Einheit der MEG und jeden Mieters der GZG zur Voraussetzung einer Förderung der Gesundheitszentren durch das Land definiert. Denn, wie Ministerin Hildebrandt erklärte: „Einen Defizitausgleich aus Steuermitteln [konnte] und [durfte] es – schon allein zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen für unterschiedliche Angebotsformen – nicht geben, [da die] Umstrukturierung (…) nicht mit Bestandsgarantien oder gar einem Naturschutzpark Polikliniken verwechselt werden dürfe.“

Gesundheitsstrukturgesetz

Mit dem Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz), das am 1.1.1993 in Kraft trat, erhielten nicht nur die Polikliniken einen dauerhaften Bestandsschutz.

Tatsächlich ist diesem Gesetz auch zu verdanken, dass heute nur noch selten von Kassenärzten, sondern mehr von den sogenannten Vertragsärzten gesprochen wird. Als Vertragsarzt gilt jeder Arzt, der über eine Zulassung verfügt, mit der er GKV-Versicherte, also Kassenpatienten, behandeln darf. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Ärzte, die ausschließlich für Privatpatienten, bzw. auf private Rechnung tätig werden. Die 311er-Einrichtungen und die heutigen MVZ sind den vertragsärzten rechtlich gleichgestellt.

Neue Koalition – neue Prioritäten

Die rot-grüne Koalition, die im Herbst 1998 die Regierungsverantwortung übernahm, setzte gesundheitspolitisch von Beginn an auf ‘Wettbewerb um Qualität, Wirtschaftlichkeit und effizientere Versorgungsstrukturen.’ Unter dem Schlagwort der ‘Integrierten Versorgung’ sollte die starre Abgrenzung zwischen stationärem und ambulantem Sektor überwunden werden. Als Anregung diente das Gesundheitswesen der DDR, in dem die öffentliche und personelle Verbindung von Krankenhausmedizin und ambulanter Behandlung zentrales Prinzip gewesen war.

Diese teils positive Haltung gegenüber der Grundidee der integrierten Versorgung, wurde über das Wahljahr 2002 hinaus beibehalten. Trotzdem kam es überraschend, dass die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt neben der Einführung der Integrierten Versorgung gleich den Ausbau des poliklinischen Prinzips nach Brandenburger Vorbild zum Kernkonzept der ambulanten Versorgungsreform erklärte.

Dadurch sollte eine ‚gute Versorgung aus einer Hand‘ zu erreichen und ’neuartige Beschäftigungsverhältnisse für junge Ärzte‘ zu ermöglichen sein. Die geplanten Einrichtungen unterschieden sich jedoch von den bestehenden Polikliniken erheblich. Die neuen Einrichtungen sollten Bestandteil einer umfassenden Reformbemühung sein, welche alle Bereiche der gesetzlichen Krankenversicherung umfasste.

„In der ambulanten Versorgung können neben den freiberuflichen Ärztinnen und Ärzten Gesundheitszentren zusätzlich tätig werden.“

– Koalitionsvertrag vom Oktober 2002
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Regelungen der ersten Regierung Schröder

Schon zur Wendezeit hatte die SPD gezeigt, dass sie in kooperativen Arztmodellen eine Versorgungsalternative für die gesamte Bundesrepublik sah. Mit Gesetz vom 22.12.1999 wurden daher unmittelbar die Regelungen nach dem Einigungsvertrag modifiziert und in § 311 des SGB V den Passus über die Förderung der niedergelassenen Ärzte zu Lasten der Polikliniken gestrichen.
Aber erst mit dem Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes vom 21.08.2002 wurden die Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Gesundheitszentren wirklich verbessert. Neuanstellungen und Verlegungen von Einrichtungssitzen waren von da an durch die Zulassungsbehörden grundsätzlich zu genehmigen.
Diese unscheinbare Regelung war grundlegend, da den Gesundheitszentren bis dahin wegen der ‚Soweit-Regelung‘ jede Expansion unabhängig vom medizinischen oder wirtschaftlichen Nutzen verwehrt war. Umfassende Ausweitungen ärztlicher Anstellungen blieben jedoch auch nach 2002 einfach deshalb aus, weil die Rechtsangleichung viel zu spät erfolgte, um noch Wirkung zu entfalten.

Dem ursprünglichen Konzept nach sollte der Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung in einen fachärztlichen und einen grundversorgenden Teil aufgespalten werden. Vor diesem Hintergrund verstand das Ministerium unter Gesundheitszentren Häuser mit ausschließlich in Vollzeit angestellten Ärzten nur der gynäkologischen, pädiatrischen, haus- und augenärztlichen Versorgung.

Von dem systemsprengenden Teil dieses rot-grünen Reformkonzeptes wurde in den Konsensverhandlungen mit der CDU/CSU schnell Abstand genommen. Dahingehend fand das Gesundheitszentrum als Rudiment des ursprünglichen Konzeptes unter geändertem Namen Eingang in den parteiübergreifenden Gesetzesentwurf vom August 2003. Unter dem Namen Medizinisches Versorgungszentrum wurde somit ab dem 1. Januar 2004 die Einrichtung poliklinischer Gesundheitszentren bundesweit ermöglicht und so die Entwicklung der wenigen übriggebliebenen DDR-Polikliniken zum Zukunftsmodell gesetzlich zementiert.

Als Unterschied zum ostdeutschen Konzept ist aber elementar, dass den Gesundheitszentren mit dem Einigungsvertrag explizit die kommunale, kirchliche oder freigemeinnützige Trägerschaft auferlegt worden war. Dementgegen wurden MVZ mit den Worten des gesundheitspolitischen Verhandlungsführers der Opposition, Horst Seehofer, gerade „nicht als Spielwiese für gescheiterte Sozialingenieure, nicht für die Sozialversicherungen und nicht für die öffentliche Hand“ zugelassen. Vielmehr war es hier gesetzgeberische Absicht, eine in jedem Fall unternehmerische, gleichzeitig aber primär an medizinischen Vorgaben orientierte Führung sicherzustellen. Träger von MVZ konnten daher alle Unternehmen und Einrichtungen sein, die bereits zum Kreis der Leistungserbringer im Gesundheitswesen gehören, sofern dem MVZ im medizinischen Bereich ein unabhängiger Ärztlicher Leiter vorsteht.

Mit dieser Regelung wurde es ab 2004 auch zulässig, dass Krankenhäuser und ihre Gesellschaften Teil der ambulanten Versorgungslandschaft wurden. Intention dieser Regelung war – Bezug nehmend auf das übergeordnete Ziel des Ausbaus integrativer Versorgungsstrukturen – die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen ambulant tätigen Ärzten und Krankenhausmedizin zu verbessern.

Folgen

Der Beschluss über die rechtliche Zulassung von MVZ gemäß des neugefassten § 95 SGB V beendete zum 1. Januar 2004 ein fünfzigjähriges Dogma der bundesrepublikanischen Geschichte. Seitdem können nicht nur die selbständig niedergelassenen Ärzte an der ambulanten Versorgung teilnehmen, sondern auch angestellte Ärzte wurden hiefür regelhaft zugelassen.
Die Gesetzgebung folgte auf diese Weise mit einiger Verspätung dem schon zu Wendezeiten vom Virchowbund postulierten Motto, ‚dass ein Arzt, der zur Niederlassung gezwungen wird, genauso unfrei sei, wie ein Arzt, der gegen seinen Willen angestellt tätig sein muss.‘

Ergebnis

Im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer Vielfalt verschiedenster Beschäftigungsformen wurde das MVZ seit seiner Etablierung im Jahr 2004 zu einem Erfolgsmodell der Gesundheitsreform. Die wenigen noch bestehenden ostdeutschen Gesundheitszentren wurden zu dieser Zeit per Gesetz den MVZ gleichgestellt. Aufgrund ihrer Rechtsgrundlage, die weiterhin § 311 SGB V war, werden sie jedoch bis heute auch „311er-Einrichtungen“ genannt.

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