Einträge von Susanne Müller

… dass wir überzeugt sind, dass Kooperation Zukunft ist?

Wo ist mein Arzt? ist die zunehmend häufiger gestellte Frage. Kooperation und auch eine gewisse Konzentration von Expertise und Personal ist dabei der Schlüssel, die begrenzten Ressourcen zum Nutzen der Patienten möglichst effizient einzusetzen. MVZ sind eine Struktur, mit der auf sinnvolle Art Gutes aus der Vergangenheit an die Erfordernisse von heute angepasst wurde und mit denen eben dieses Ziel erreicht werden kann.

… dass Ministerin Nonnemacher MVZ für einen sehr geeigneten Rahmen für den ‚Teamsport Medizin‘ hält?

Bei einem Vorort-Termin bekräftigte die brandenburgische Gesundheitsministerin ihre Aussagen, die ähnlich Teil der Ausstellung waren, dass MVZ und Gesundheitszentren gerade in Zeiten des demografischen Wandels ein zukunftsweisendes Konzept sind. Insbesondere, sagte Ursula Nonnemacher, würden MVZ vielen jungen Medizinern den Übergang von der Klinik in die Niederlassung erleichtern.

… dass jede Fachgruppe Teil eines MVZ sein kann?

Insgesamt gibt es nach der Weiterbildungsordnung in der Humanmedizin über 30 verschiedene Fachgruppen, wobei sich manche, wie die Internisten noch einmal in Subspezialisierungen (Gastroenterologe, Kardiologe,  etc.) unterteilen. Hinzukommen die Zahnärzte, die eine eigenständige Fachgruppe darstellen. Sie alle können im MVZ vertreten sein, also auch nicht so geläufige Fächer wie Humangenetik, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie oder Mikrobiologie. Es gibt hier keine Vorschrift für ein ‚typisches‘ MVZ.

… dass der Begriff ‚311er-Einrichtung‘ die Gesundheitszentren meint, deren Wurzeln noch auf die DDR zurückgehen?

Mit dem Einigungsvertrag wurden alle DDR-Gesundheitseinrichtungen bis 1995 für die Abwicklung vorgesehen. Insbesondere dank des Einsatzes von Regine Hildebrandt wurde aber im Herbst 1992 durch eine Anpassung des § 311 SGB V ein dauerhafter Bestandsschutz für alle noch existierenden Polikliniken gewährt. Diese Gesundheitszentren konnten so zum Vorläufer der MVZ werden. Sie sind heute den MVZ rechtlich gleichgestellt, behalten aber ihre eigene Rechtsgrundlage und werden deshalb auch 311er-Einrichtungen genannt.

… dass sich der Rechtsrahmen von ambulanter und stationärer Medizin beinah diametral unterscheidet?

Im Krankenhaus werden Patienten von einem Team behandelt, in das neben Ober- und Chefärzten vor allem auch Assistenzärzte eingebunden sind. In Praxis und MVZ dürfen dagegen nur ausgebildete Fachärzte tätig werden, die zudem ihre Leistungen höchstpersönlich erbringen müssen. Auch die Finanzierung ist verschieden: Stationär gibt es Honorarpauschalen, die sich an der Diagnose orientieren. Ambulant gilt dagegen ein Einzelleistungssystem, in dem jede ärztliche Tätigkeit in Form von ‚Punkten‘ bewertet ist.

… dass es einen umfänglichen MVZ-Gründer-Leitfaden gibt, den Ärzte ggf. kostenfrei bei ihrer KV beziehen können?

Herausgeber ist die KBV, die einen systematischen Überblick über die Themenbereiche Unternehmensbeschreibung, Vertragsgestaltung, Investitions- und Finanzplanung sowie Management von Organisation und Qualität gibt. Checklisten, die auf die einzelnen Themen abgestimmt sind, unterstützen die Entscheidungsfindung und die konkrete Planung eines Gründungsvorhabens. Hinweise zum Bezug gibt die KBV auf ihrer Homepage.

… dass am 4. März 2020 im Deutschen Bundestag eine Fachanhörung zu MVZ und ‚Kapitalinteressen in der Gesundheitsversorgung‘ stattgefunden hat?

Seit immer mehr MVZ von nicht-ärztlichen Trägern gegründet werden, ist auch die Befürchtung präsent, dass wirtschaftliche Interessen über das Patientenwohl gestellt werden.  Auf Antrag der LINKEN wurde daher vom Gesundheitsausschuss über die Berechtigung solcher Sorgen diskutiert. Protokoll und Livestream kann man im Bundestagsarchiv abrufen.

… dass Ulla Schmidt es bis heute als Gewinn für die Versorgung empfindet, sich mit ihren Plänen zu MVZ durchgesetzt zu haben?

2020 hat die 2003/04 verantwortliche Gesundheitsministerin, rückblickend Stellung bezogen. Sie schreibt a.A.: „Bis heute bin ich für die Initiative aus Brandenburg sehr dankbar. Schon während der Einigungsverhandlungen 1990/91 haben wir als SPD dafür plädiert, die Andersartigkeit des ostdeutschen Gesundheitswesens nicht als Gefahr, sondern als Chance zur Erneuerung auch für die alte Bundesrepublik zu begreifen. Heute geben uns mehr als 3.100 MVZ Recht.“

… dass es regional gesehen die meisten MVZ in Bayern gibt?

Von Beginn an haben die Bayern die MVZ-Statistik angeführt. Bis Ende 2006 fanden 24 % aller MVZ-Gründungen in Bayern statt (= 159 MVZ). 2018 lag die Gesamtzahl bei bundesweit 3.173 MVZ, von denen immer noch jedes fünfte (20 %) eine bayrische Gründung ist. Das entspricht 628 MVZ im Freistaat. In der Statistik folgen die Bundeländern NRW (mit 570 MVZ) und dann – mit weitem Abstand – Niedersachsen (308) und Berlin (270).

… dass die Zulässigkeit von Praxisassistenzen, wie AGnES oder die NäPas, lange sehr umstritten waren?

In Deutschland gilt der Arztvorbehalt.D.h. nur Ärzte dürfen medizinische Leistungen erbringen. Nichtärztliche Assistenzen, die eigenveranwortlich z.B. Hausbesuche durchführen, Medikamente checken oder Sprechstunden führen, werden teils als Bedrohung für den Arztberuf wahrgenommen. Die Debatte wurde und wird unter den Schlagworten Delegation vs. Substitution geführt und mutet aus den EU-Nachbarländern sicher seltsam an, da dort vielfach nicht-ärztliche Fachkräfte wie Hebammen oder Schwestern sehr umfassende Verantwortung tragen.

… dass seit 2015 auch Gemeinden und Städte direkt MVZ gründen und betreiben dürfen?

Obwohl sich der Gesetzgeber 2004 eindeutig dafür ausgesprochen hatte, MVZ „nicht als Spielwiese für gescheiterte Sozialingenieure, nicht für die Sozialversicherungen und nicht für die öffentliche Hand“ zuzulassen (Horst Seehofer bei der Bundestagsdebatte 2003), wurden Kommunen ab 2015 explizit in den Kreis der zulässigen Träger aufgenommen. Man wollte es so den Gemeinden gerade in ländlichen Regionen ermöglichen, direkt gegen den Ärztemangel aktiv zu werden. Die Zahl kommunaler MVZ ist dennoch auch 2020 noch ausgesprochen gering.

… dass es in Westberlin noch bis 1958 eine einheitliche Krankenversicherung für alle Bürger gegeben hat?

Die Nachkriegsgeschichte Westberlins als Drei-Mächtestadt unerschied sich in vielen Punkten von der Entwicklung der Trizone (seit 1949: BRD). So wurde 1945 mit der Versicherungsanstalt Berlin (VAB) für die Krankenversicherung eine Einheitsversicherung eingerichtet, die tatsächlich bis 1958 tätig war. Erst dann wurde das Krankenversicherungsrecht der BRD auf Westberlin übertragen und das gegliederte System eingeführt. Aus der VAB ging die AOK Berlin hervor.

… dass viele MVZ über Zweigstellen auch in der Fläche Versorgung anbieten?

MVZ gelten als ‚Einrichtung‘ und bieten damit per Definition eine räumlich konzentrierte Versorgung an. Viele MVZ betreiben jedoch neben dem Hauptstandort auch sogenannten Zweigstellen oder Filialen, in denen an weiteren Orten, z.B. in den umliegenden Dörfern reguläre Sprechstunden angeboten werden. Organisatorisch zählt der Hauptort zusammen mit all seinen Filialen als e-i-n MVZ.

… dass Bürger und Patienten während des Reformprozesses 2003 von der Einführung der MVZ kaum was mitbekommen haben?

Das GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 war ein ebenso umfangreiches wie stark diskutiertes Projekt. Aus Patientensicht war größter Aufreger die Einführung der Praxisgebühr in Höhe von 10 € zum 01.01.2004. Das ‚Ticket zum Doktor‘, das 2011 wieder abgeschafft wurde, war in der öffentlichen Debatte so vorherrschend, dass alle weiteren Reformelemente – wie z.B. die Diskussion um die Zulassung von MVZ – wenig Beachtung erhielten.